FÖRDERN DER UNTERNEHMERISCHEN KULTUR
Jerry Krattiger | 28.08.2020

Seit Juni 2019 ist er der neue Direktor der Wirtschaftsförderung Kanton Freiburg (WIF). Mit 50 Jahren blickt Jerry Krattiger auf einen reichen Erfahrungsschatz in Unternehmensführung zurück: Der Berner war als Projektleiter im Finanz- und Versicherungswesen tätig, gründete eine IT-Firma mit und war operativer Leiter eines nicht gewinnorientierten Vereins. Zudem übte er verschiedene Verwaltungsratsmandate auf dem Gebiet der Wirtschaftsentwicklung aus und unterrichtete als Privatdozent an mehreren Schweizer Hochschulen. Dank dieser vielseitigen beruflichen Laufbahn konnte er nebst Sprachkenntnissen – er beherrscht deren fünf – und Fähigkeiten in der Unternehmensführung auch ausgeprägte Kompetenzen in der Teamführung und der Entwicklung von lokalen, nationalen und internationalen Partnerschaften erwerben. Ein Gespräch.

Sie kommen von ausserhalb des Kantons Freiburg: Was hat Sie am meisten beeindruckt, als Sie das Amt des Direktors der WIF übernommen haben?

In erster Linie war ich positiv von der Fähigkeit des Kantons Freiburg überrascht, Schwierigkeiten zu meistern und gewisse Rückschläge in Chancen zu verwandeln. Als in der ersten Hälfte der 2010er-Jahre mehrere Unternehmen abgewandert sind, hat der Kanton viel Entschlossenheit und Ehrgeiz an den Tag gelegt, indem er diese Industriestandorte erwarb, um sie zu branchenspezifischen Entwicklungszentren auszubauen. Ich denke dabei insbesondere an blueFACTORY, das Innovationsquartier mitten im Stadtzentrum von Freiburg und ehemaliger Standort der Cardinal-Brauerei. Heute sind auf dem Gelände ein hochspezialisiertes Forschungsinstitut im Bereich Lebens- und Wohnraum der Zukunft, verschiedene Kompetenzzentren und mehrere Dutzend innovative Start-ups und KMUs ansässig. Dasselbe gilt für die Innovationsstandorte AgriCo in Saint-Aubin – der Lebensmittelindustrie und der Biomasse gewidmet – und Maillarde in Romont, der auf die Entwicklung der Biotechnologie ausgerichtet ist. Es ist erfreulich festzustellen, dass in Freiburg ein politischer Wille besteht, mutige Entscheide zu treffen und dafür die nötigen Mittel bereitzustellen, um eines Tages von einem substanziellen Mehrwert profitieren zu können.

In den ersten Monaten haben Sie zahlreiche Freiburger Unternehmen getroffen. Welche Schlüsse haben Sie daraus gezogen?

Es ist wichtig, ein offenes Ohr für die Anliegen der lokalen Unternehmen – Start-ups, KMUs oder internationale Grosskonzerne – zu haben, um ihre Bedürfnisse besser zu verstehen und sie bei ihrer Entwicklung unterstützen zu können. Es freut mich sehr, dass die Zusammenarbeit dieser Unternehmen mit den Hochschulen ausserordentlich gut funktioniert. In Freiburg scheinen die Verbindungen zwischen der akademischen und der industriellen Welt bereits sehr eng zu sein. Aber es gibt noch Potenzial für Verbesserungen und wir können noch mehr tun.

Wie?

Die Forschungsaktivitäten müssen noch mehr auf die Bedürfnisse der Industrie ausgerichtet werden. Da ich einige Zeit in den USA gelebt habe, habe ich die pragmatische Vision verinnerlicht, dass jeder Akteur des Innovationsökosystems verpflichtet ist, so viel wie möglich dazu beizutragen, dass sich der Technologietransfer auf die Wirtschaft ausrichtet. In vielen akademischen Kreisen, in der Schweiz wie auch anderswo in Europa, braucht es einen unternehmensorientierteren Ansatz, um die Innovation kommerziell zu verwerten. Als Direktor der WIF wünsche ich mir, dass diese Reflexe selbstverständlich werden und dazu beitragen, das Freiburger Wirtschaftsgefüge dynamischer zu gestalten.

Sind die Rahmenbedingungen vorhanden, um dieses Ziel zu erreichen?

Ja, Freiburg verfügt über eine dynamische Universität, ausgezeichnete Hochschulen und eine Vielzahl von hochspezialisierten Kompetenzzentren und Forschungsinstituten. Im Vergleich zur übrigen Schweiz liegt der Kanton bei der Zahl der pro Kopf angemeldeten Patente weit über dem Durchschnitt. Ganz zu schweigen von den anderen Vorteilen, die Freiburg zu bieten hat, angefangen bei seiner jungen und gut ausgebildeten Bevölkerung, seiner Brückenfunktion zwischen der Deutsch- und der Westschweiz oder seiner ziemlich einzigartigen Lebensqualität. Mit der Neuen Regionalpolitik und Innosuisse (Schweizerische Agentur für Innovationsförderung, Anm.d.Red.) verfügen wir zudem über leistungsstarke Instrumente zur Unterstützung und Finanzierung von gemeinsamen Innovationsprojekten der Industrie und einem oder mehreren Forschungspartnern. Die Zutaten sind alle vorhanden und diese Ausgabe von Fribourg Network Freiburg zeigt, dass es bereits viele Beispiele für eine erfolgreiche Zusammenarbeit gibt.

Haben wir also eine rosige Zukunft vor uns?

Ich hoffe es! Die Bemühungen von Kanton und Privatpersonen zur Entwicklung der Innovationszentren Freiburgs haben in den letzten zehn Jahren jedenfalls neue Massstäbe in der Wirtschaftsförderung gesetzt – insbesondere in den strategischen Sektoren Bioökonomie und Industrie 4.0, die vielversprechende Nischen mit hoher Wertschöpfung wie die menschliche Gesundheit, Polymere, Biopharmazie, Smart Living oder Digitaldruck umfassen.